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Ein politisch korrektes Weihnachtsfest

Auf dem Ofen bollerte das Wasser für einen Tannenzapfentee. Der Weihnachtsmann klatschte vor Freude in seine großen, vom vielen Geschenkeverteilen schwielig gewordenen Hände. Er würde sich noch kurz diese kleine Stärkung gönnen, um dann mit den Vorbereitungen für die Bescherung zu beginnen. Da klopfte es plötzlich an seiner Tür.

Draußen im Schneegestöber stand ein fröstelnder Hermaphrodit und hielt ihm ein offizielles Schreiben unter die rote Nase. Dummerweise hatte der Weihnachtsmann seine Lesebrille verlegt „Ich komme im Auftrag der Vereinten Nationen. Wissen Sie, was es mit dem CEDAW auf sich hat?“ Der Weihnachtsmann wusste es nicht. „Das ist das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau.“ „Aha“. „Und Weihnachts-m-a-n-n ist eine mehr als diskriminierende Berufsbezeichnung, weil sie Frauen von vorneherein ausschließt. Darum heißen Sie ab sofort ganz geschlechtsneutral Weihnachtswesen.“

Mit diesen Worten verschwand der unangemeldete Gast in die Nacht. „Weihnachtswesen, Weihnachtswesen ...“, murmelte der Weihnachtsmanngewesen vor sich hin. Da musste er in Ruhe drüber nachdenken. Aus dem Lager, in dem die unzustellbaren Geschenke untergebracht waren, holte er eine Flasche Weinbrand und kippte sich reichlich davon in den Tee. Da klopfte es schon wieder.

„Kaminsky, Bezirksamt Kreuzberg, ich habe hier eine Unterlassungsklage gegen Sie. Die Berufsbezeichnung Weihnachtsmann ist eindeutig christlichen Ursprungs und diskriminiert andere Religionen. Ab sofort dürfen Sie nur noch unter der geschlechts- und religionsneutralen Bezeichnung Winterwesen auftreten.“ Und schon war auch der zweite Besucher verschwunden.

Das Winterwesen setzte die Tasse Tee an den Mund und stellte fest, dass zu viel Tee und zu wenig Weinbrand darin war. Er schüttete den Inhalt in das Ofenfeuer. Der Ofen fing sogleich an, laut zu zischen und zu prasseln, und so hörte er nicht, dass sein Stall gerade von einem Kommando der PETA heimgesucht wurde und man dabei war, die von ihm versklavten und ausgebeuteten Rentiere zu befreien und in den dunklen Wald zu treiben.

Da klopfte es schon wieder. Diesmal war es jemand von einer Umweltbehörde. Den konnte das vom vielen Weinbrandtrinken kurzsichtig gewordene Winterwesen gar nicht mehr genau erkennen. Wenn er das richtig verstand, hatte man ihn auch noch mit einem Flugverbot belegt. Den letzten Besucher entließ er mit einem ordentlichen CO2-Fußabdruck in den Allerwertesten.

Und so sollte in diesem Jahr niemand Geschenke bekommen. Das betraf aber nicht die Kinder, denn die gab es per Gesetz nicht mehr. Das Wort „Kind“ stammt ursprünglich aus dem Germanischen, also aus einer streng patriarchalischen und absolut monokulturellen Gemeinschaft, und ist als solches pures Gift für eine sprachneutrale, glückliche Gesellschaft.

Zu guter Letzt gab es dann aber doch noch jemanden, der sich über eine schöne Bescherung freuen konnte. Ein Wolfsrudel, das gerade von seinem Leitwolf auf die neue Paleo-Diät eingeschworen worden war, erhielt mit schönen Grüßen von der PETA ein komplettes Rentiermenü frei Haus in den Wald geliefert.

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